Sonntag, 25. August 2019

Scha(r)fe Gefühle


Das Material Schafwolle bietet mit ihren Eigenschaften eine Vielzahl von Themen wie; Wärme und Schutz, Struktur, Geruch, Farbe, Leichtigkeit, Festigkeit, Chaos und Ordnung, Offenheit, Kontakt und Grenze, Haltbarkeit, Mehrdimensionalität, Geschichte und Kultur. Für die Kinder war es ein Material, um damit in Bewegung zu kommen, einen Rhythmus zu finden und mit den eigenen Händen tätig zu werden. Das stärkt ihr Selbstvertrauen und ihr Selbstbewusstsein und sie sind dann in der Lage zu sagen: „Das habe ICH geschafft.“ und „Das habe ICH gemacht.“ Zusätzlich sorgt dieser Prozess für Entspannung und Ausgleich und die dabei gemachten Erfahrungen sind am Ende sichtbar.

Die unverdauten Gefühle,  sind deutlich zu spüren, können somit aufgenommen und befreit werden. In dem Prozess des Verfilzens werden unterschiedliche Bearbeitungsmöglichkeiten angeboten, in denen die Innenwelt mit der Außenwelt in Verbindung gebracht wird. Vom Zupfen, streicheln, reiben, rollen, klopfen, nadeln, bis hin zum Werfen und kneten wird dies zuerst kennengelernt, betastet, überprüft, dann aufgenommen, ausgewählt, verarbeitet und dann sich zu eigen gemacht und integriert. Der Prozess des Verfilzens bietet eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten oder Metaphern für die kunsttherapeutische Arbeit.

2013 Geschichte: "Wolly das Schaf"
Es ist für mich immer wieder interessant, das Filzstück zu betrachten und sich anzuschauen, wie dies gearbeitet wurde, ob sie transparent oder dicht, weich oder hart, hell oder dunkel, verhüllen,  beschützen, oder schmücken, sie klein oder groß, eben oder uneben. Die persönlichen und individuellen Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse sind total spannend.  Eine Möglichkeit damit eine spielerische und konstruktive Auseinandersetzung mit Lebensthemen auseinanderzusetzen. Fragen die auftauchen, nehmen Gestalt an, so dass eine Auseinandersetzung darüber möglich wird. Sich den eigenen Händen zu überlassen, zu versuchen und den Verstand für einen Moment auszuschalten, das war kann für Menschen eine ganz neue Erfahrung sein, die sie sehr dankend annehmen. Der Prozess ist sehr wichtig und das Ergebnis wird mit strahlenden zufriedenen Gesichtern angenommen.  So kann es gelingen aus dem Gefühlschaos auszusteigen, um im Hier und Jetzt einzutreten und das großes Reich der Phantasie mit Freude zu betreten zu können.

In der kunsttherapeutischen Arbeit nehme ich den Filz in den Fokus meiner Aufmerksamkeit.
Gleichzeitig gelingt es mir, weitere neue Beziehungen herzustellen, während ich Grenzen überschreite und sie mit anderen künstlerischen Mitteln verbinde. All dies vertieft mein Gewahrsein und meine Freude wächst. Dinge in meinem Leben finden so immer wieder neuen Platz. In der psychosozialen Kunsttherapie sehe ich eine gute Arbeitsweise, um sich zum einen an die individuellen Bedürfnisse der Menschen zu orientieren, um den kunsttherapeutischen Ansatz auszuwählen. Zum anderen stehen mir unterschiedliche künstlerische Mittel, wie Malerei, Plastik, Schreiben, Grafik, Bewegung u.a. zur Verfügung, um Konflikte und Störungen zu begegnen. Und dies lässt sich wunderbar mit dem fusseligen Vergnügen verbinden. Es ist mir ein großes Anliegen, die Kraft des Filzens in der psychosoziale Kunsttherapie so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen.
2013 Kunsttherapeutische Ausstellung- Filzbilder

Kunst trifft Therapie


Das Filzen eine therapeutische Wirkung hat- dass lese ich immer wieder. Doch wie genau, was passiert während des Filzen wirklich im Inneren? Mh ich ging auf die Suche, nach geeigenter Literatur- tja leider bin ich bis jetzt nicht wirklich fündig geworden. Es gibt eine sehr gute Abschlussarbeit- die sich mit den textilen Arbeiten beschäftigt. Ebenso eine holländische Kunsttherapeutin hat ein paar Artikel über die Wirkungsweise es filzen und ihrer Methoden verfasst. Doch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema habe ich noch nicht gefunden.Ich habe einen Filzkurs in Oberrot besucht- indem es ein kleinen Einblick in die therapeutische Arbeit mit Filz ging. Es war für mich so hoch spannend- die Methoden intensiv und klar- dass ich dies unbedingt in meine kunsttherapeutisches Praktikum ausprobieren wollte. Das habe ich getan und ich habe festgestellt- das alle kunsttherapeutische Methoden- wie malen, zeichnen, schreiben und plastizieren  eine wunderbare Wirkung erzielen. Die Gedanken und ausgesprochene Worte, die dann gefunden werden führen zu einer Lösung und zu einer Erleichterung. Doch Filzen übertraf alle meine Erfahrungen.
In meiner Abschlussarbeit zur Psychosozialen Kunsttherapie habe ich ebenfalls das Filzhandwerk mit der Therapeutischen Lupe betrachtet. Es war hoch spannend. Künstlerisches Schaffen im Sinne von produktiver Tätigkeit ist eine Suche nach Strukturen, nach Nähe, Sinn, Zufriedenheit und Geborgenheit. Die Filztechniken lassen sich an die individuellen Bedürfnisse und Ziele der Kinder anpassen. Der Einsatz der Filztechnik ist auch in kurzen Sitzungen ausführbar, da ein rasches Erfolgserlebnis entsteht. Die einfachen und wiederholenden Arbeitsschritte können auch gut unterbrochen werden, um sie in der nächsten Sitzung weiter fort zuführen. Da das Filzen wenig bekannt ist, können Negativ- Erfahrungen fast ausgeschlossen werden. Es bestehen wenige Berührungsängste, da die Wolle vom Schaf kommt, das als friedliebend und „lammfromm“ bezeichnet wird. Bei wiederholender Anwendung des Filzens ist eine Steigerung innerhalb der Techniken möglich (mit Schnur- Ball- Fläche- mit Schablone zum Hohlkörper) Beim Nassfilzen besteht keine Verletzungsgefahr. 

Filz der Menschen verbindet



2010 begann ich mit der Ausbildung um das Filzhandwerk in der Filzschule „Fit in Filz“ Oberrot zu erlernen. Ich entdeckte dabei vielerlei Möglichkeiten mich selbst zuerkennen. Mit der parallel dazu begonnenen nebenberuflichen Weiterbildung zur psychosozialen Kunsttherapeutin wurde für mich ein Weg geöffnet, ganz nach dem Motto: „Raus und befreie mich aus den alten Schuhen:“ Mein Herz sehnte sich schon lange bewusst, liebend, freudig und leicht durch meine Tage zu gehen. Mit sehr viel Aufmerksamkeit erforschte ich mein Inneres und Baustellen konnten geschlossen werden. Mehr und mehr habe ich entdeckt, was für ein herrliches, großartiges, schöpferische und liebende Lohmi ich bin.
Die Filzkurszeit mit Inge Bauer war für mich eine sehr wertvolle Zeit. Sie liebte das Filzen und gab ihr unendliches Wissen und ihre Neugier immer wieder sich in ihren Filzstücken weiterzuentwickeln sehr gern weiter.  Sie liebte es Menschen Raum zu geben, so dass jeder seine eigene Kreativität entdecken konnte. Das  hat sie bei mir total geschafft und ich nahm all ihre Worte in mich auf. In den Bekleidungskursen fand es spielend raus, welche Individualität jeder hat und dann wurde gefilzt bis alles perfekt passte. 
Filzproben, die zur Berechnung sehr hilfreich sind.


Meine Abschlussarbeit zur Filzgestalterin:  mit dem Thema: Kleidung berührt, von innen nach außen“. Die Kunst eines erfüllten Lebens, ist auch die Kunst des Lassens: Zulassen - Weglassen - Loslassen.“(Ernst Ferstl) Doch das sich etwas im Außen ändern kann, braucht es eine Veränderung im Innen. Und diese beginnt mit Wahrnehmen und Beobachten was jetzt im Moment da ist. Zwischen Himmel und Erde ist der Mensch. Er streckt sich nach der Sonne aus und braucht ebenso die Verwurzelung. Beides braucht seinen Ausgleich. Im Mittelpunkt meiner Abschlussarbeit stand, das Kleid- das die Symbolik der ausgewählten Chakren wiedergibt. Durch Auswahl von Material und Farbe, ist es gelungen, die bewusste klare Struktur im Symbol der Chakren auszudrücken. „Und plötzlich weißt Du: Es ist Zeit etwas Neues zu beginnen und der Magie der Anfänge zu vertrauen.“(Meister Eckart) Die nahtlosen Filzkleider zeigen die ersten drei Chakren- die Klarheit von innen nach außen zeigt. Sie können von rechts, wie auch von links getragen werden.
Und so verfolge ich diesen Weg weiter und filze am liebsten in der Nunofilztechnik. Schals, Armstulpen, Oberteile- mit Naturstoffen als Trägermaterial. Ich liebe die Strukturen  die dabei enstehen, immer wieder anders und für die Trägerin einzigartig. Anfang 2019 zu einem Filzkurs in Göttingen habe ich erfahren, dass die einzigartige Inge Bauer die Erde verlassen hat. Dies hat mich tief getroffen. Später gab es in der FUN- Zeitschrift einen wunderbaren geschriebenen Nachruf. Inge ich bin dir sehr dankbar für all die Zeit, die ich mit dir verbringen durfte. Du bist in meinem Herzen.

Filz erleben


Ich erlebe viele Qualitäten im Laufe des Filzprozesses. Dies reicht vom zarten Zupfen, Streichen, Weichheit, Nässe, Wärme bis zum kräftigen, fast aggressivem Rollen und Reiben. Filzen ist für mich eine wiederholende, rhythmische Bewegung, wie das Leben selbst. Die Auswahl der Farben, die Bestimmung der Form/Dicke/Größe fördert meine Kreativität und Individualität. In der Filzschule lernte ich dem Filz Prozess meine Aufmerksamkeit zu schenken, ihm zu vertrauen und entspannt geschehen zu lassen, was geschehen sollte. Es war immer wieder ein wunderbarer Überraschungsmoment, wie  Dinge während eines Prozesses plötzlich Gestalt annehmen. 

Der Frühling zieht in den Filzladen ein.

Lieben, irren, schwirren, was wäre das Leben ohne Wirren? (Monika Minder) Als der Orkan " Friederike" am 18.01.2018 wurde die Sc...